FAZ 11.05.2023 Interview mit Sabine Tschäge: Es ist schon ein hartes Brett

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"Es ist schon ein hartes Brett"

Sabine Tschäge spricht im Interview über ihre Rolle als erste Cheftrainerin des Deutschland-Achters, die Vereinbarkeit von Sport und Beruf für Athleten - und was in Deutschland die Lust am Rudersport trübt.

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Alexander Davydov

Seit 2021 sind Sie im Trainerteam am Bundesstützpunkt Dortmund aktiv, seit dem überraschenden Abschied von Uwe Bender auch Cheftrainerin des Paradebootes. Konnten Sie dem Deutschland-Achter seither ihren Stempel aufdrücken?

Aufdrücken möchte ich eigentlich nicht so gerne. Wir wollen aus Überzeugung arbeiten. Ich würde eher von Zeichensetzung sprechen. Es war natürlich eine Umstellung für mich in Dortmund. Aber wie so oft im Rudern: Wir versuchen erstmal, Boote schneller zu machen. Das ist das oberste Prinzip. Das verfolgen wir auch sehr nachhaltig. Natürlich musste ich in die Sache erst mal reinwachsen. Es kam jetzt alles auch etwas schneller als gedacht mit der Aufgabe, dass ich die Leitung dann im Oktober übernommen habe, dann der gesundheitliche Ausfall von Uwe Bender. Das waren jetzt schon ein paar turbulente Monate.

Fühlen Sie sich da ins kalte Wasser geworfen?

Kaltes Wasser würde ich jetzt nicht sagen, aber es passierte alles deutlich früher als gedacht, und vor allem ohne Vorlaufzeit oder, dass man noch länger in den Bereich reinschnuppern konnte.

Sie haben die Leitung zunächst übergangsweise übernommen. Könnte das auch eine längerfristige Lösung sein?

Längerfristig ist im Sport ja nie was. Das hängt ja immer von vielen Sachen ab. Ich plane jetzt schon so, dass wir erst mal diesen Olympiazyklus abschließen und natürlich auch schon Weichen stellen für 2028.

In knapp drei Wochen steht zunächst die Europameisterschaft in Slowenien an und damit die nächste große Herausforderung.

Na ja, ich bin ja jetzt nicht ganz frisch in dem Geschäft tätig und habe ja schon einige Stationen hinter mir. Jeder Jobwechsel hat natürlich auch einen neuen Schritt mit sich gebracht: neues Umfeld, neue Herausforderungen. Aber ich glaube, meine Vita hat mir da sehr geholfen.

Wie sehr steigt der Druck auf Sie, je näher die Olympischen Spiele in Paris rücken?

Druck hat man immer als Trainer, denn man möchte das bestmögliche Ergebnis für die Mannschaft. Insofern ist es auch ein Druck, mit dem man umgehen kann. Wir haben jetzt eigentlich erst mal alles drangesetzt, dass wir weiter nach vorne kommen. Ich sehe es auch im Training, dass wir weiterkommen. Wir müssen sehen, wie wir uns bei der EM in Slowenien einsortieren. Hier haben wir den ersten Vergleich mit den anderen Topteams wie den Niederländern und den Weltmeistern aus Großbritannien. Danach wissen wir relativ zügig, wo wir stehen.

Wer wird bei der EM im Achter sitzen?

Wir haben erstmal ein Team und eine Anfangsformation, mit der wir in der EM starten werden. Mit dem Zweier und dem Vierer zusammen haben wir insgesamt einen Kader von 16 bis 18 Athleten. Am 17. Mai werden dann auch die Namen bekanntgegeben, wer in Slowenien antreten wird. Bis Olympia ist es noch ein weiter Weg und da werden wir, so ähnlich wie im Fußball, noch einiges ausprobieren müssen und vielleicht im Kader noch einiges verschieben.

Es gibt böse Erinnerungen an die Heim-EM im vergangenen Jahr, als der Deutschland-Achter als viertes von fünf Booten ankam. Oder kurz darauf die WM in Tschechien, bei der man erstmals seit 23 Jahren das Finale verpasst hat. Ein Grund für dunkle Stimmung beim Team und im Verband?

Auf diesem Stand bleiben wir nicht. Eine dunkle Stimmung hatten wir ja sowieso nicht, sondern eher, dass wir gesagt haben: Okay, es gibt handfeste Gründe, die zu diesen Ergebnissen geführt haben. Wir wissen, dass wir das besser können. Natürlich müssen wir das auch zeigen, aber oberstes Prinzip bleibt jetzt erst mal für dieses Jahr, dass wir die Qualifikation holen für Olympia. Und wir wollen uns natürlich in Richtung Medaillenränge orientieren. Wir sind in einer Sportart, die ein gewisses Trainingsalter braucht und auch Erfahrungswerte. Da kann man bei einem jungen Team, ich würde es nicht Probleme nennen, Herausforderungen haben. Und die gehen wir auch an.

Im vergangenen Jahr hatte anfangs noch Aufbruchstimmung geherrscht, als das stark verjüngte Team des Deutschland-Achters vorgestellt wurde. Man sprach damals vom größten Umbruch seit 2009. Wie sieht es jetzt aus?

Grundsätzlich sind wir erst mal positiv. Klar war das WM-Ergebnis nicht ganz das erwünschte. Wir hatten allerdings auch gesundheitliche Probleme im Team, was das Ganze dann erschwert hatte. Aber ich glaube, wir haben eine gute Gruppe. Wir müssen halt gucken, dass wir die Erfahrungen sammeln, die wir noch brauchen. Dann können wir an frühere Erfolge auch anschließen. Aber wir brauchen mit dieser Truppe, das habe ich immer wieder betont, einfach auch ein Stück weit Zeit. Grundsätzlich ist das Team schon in der Lage, vorne zu fahren. Das haben wir auch beim World Cup gezeigt.

Eine der größeren Herausforderungen für die Athleten ist es, sportliche Karriere, Beruf oder Studium und Familie unter einen Hut zu bringen. Hat sich die Lage für die Sportler gebessert?

Es ist schon ein hartes Brett für alle, eine sogenannte duale Karriere auch weiter zu verfolgen. Das ist eine Herausforderung, die bleibt uns erhalten.

Sorgen Sie sich, dass der Nachwuchs sich vom Sport abwendet?

Nachwuchs können wir für den Sport gewinnen. Wir haben eher Probleme, dass künftig ausreichend qualifizierte Trainer vorhanden sind. Das ist von finanzieller Seite für die Vereine teilweise schwierig zu stemmen. Man sieht ja auch, dass da, wo es gute und engagierte Trainer gibt, auch ein Zufluss von Kindern da ist. Es ist aber schwierig die Trainer im System zu halten. Hinzu kommt, dass wir keinen universitären Sport haben wie die Commonwealth Staaten, wo es attraktiv ist, auch während der dualen Karriere Spitzensport zu treiben. Da hat man einfach Lust, Sport für die Uni zu machen.

Was trübt in Deutschland den Trainern die Lust am Rudersport?

Die Bezahlung ist ein großes Thema, dann aber auch der lange Weg zum Trainer. Eine Trainer-Offensive gibt es seit 25 Jahren in Deutschland, und ja, so richtig nachhaltig passiert eigentlich nichts. Es ist eher so, dass wir eine Stagnation mit den Gehältern haben, dass Prämien gestrichen werden et cetera, und dann sind da die Arbeitszeiten. Da wird man auch nicht so schnell jemanden finden, der das macht.

Bei Ihnen wird ja als Trainerin immer wieder hervorgehoben, dass Sie als Frau in einer Männerdomäne arbeiten und sich durchsetzen müssen. Spielt Ihr Geschlecht bei der täglichen Arbeit eine Rolle?

Das ist eine Frage, die mir immer wieder gestellt wird (lacht). Ich bin ja gar nicht der Part, die sie beantworten kann. Das sind eher die Athleten, die dann sagen müssen, ob sie einen Unterschied feststellen oder nicht. Ich bin ja auch aufgewachsen und großgeworden mit dem Rudern und dem Hochleistungssport. Das ist irgendwo schon eine von Männern geprägte Domäne. Ich kenne es nicht anders. Was das Arbeiten angeht, da muss ich ehrlich sagen, ist es mir egal, ob da Männer oder Frauen vor mir sind. Wir versuchen, ergebnisorientiert zu arbeiten. Ob ich da jetzt einen weiblichen Touch reingebracht habe oder nicht, das müssen die Männer dann beantworten.

Dennoch haben Sie eine gewisse Vorbildfunktion als erste Frau, die den Deutschland-Achter trainiert. Können Sie diesen Fokus nachvollziehen?

Ich bekomme es schon mit. Ich meine, Deutschland ist ja sehr vom Fußball geprägt und es ist schwer vorstellbar, was es für ein Gezeter war, als weibliche Schiedsrichter zugelassen wurden. Ich warte immer noch darauf, dass eine Frau eine Männerfußballmannschaft in einer der oberen Ligen trainiert. Ich glaube, dann wird sich das auch sehr schnell egalisieren.

F.A.Z.

Bild: Detlev Seyb

veröffentlicht am Montag, 29. Januar 2024 um 10:47; erstellt von Hummels, Wilhelm
letzte Änderung: 29.01.24 11:16

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