Eine Familie am Ruder: Fünf Kruses für Deutschland

NW P20 Spezielles

Zu Weihnachten war Familie Kruse komplett. Das kam im Jahr 2017 selten vor: Tochter Ida (21) studiert in Ohio, Sohn Ole (19) in Boston – nur Nesthäkchen Sönke (17) ist noch in Münster, aber auch meistens auf dem Kanal unterwegs. Auch an Weihnachten diktiert der Trainingsplan den Rhythmus der Ruderfamilie.

Über Wochen war mit heißer Nadel an dem Termin gefeilt worden und dann fehlte doch wieder einer. Kein Weg war zu weit und zu beschwerlich: Ida Kruse war aus Ohio angereist, Bruder Ole aus Boston und Vater Birger gerade nach einem Krankenhausaufenthalt zurück im trauten Heim in Gievenbeck.

Doch als Mutter Elke dann kurz durchzählte, fehlte ausgerechnet das Familienmitglied mit der kürzesten Anreise: Nesthäkchen Sönke war aus alter Gewohnheit auch am letzten Schultag vor Weihnachten vom Stein-Gymnasium mit dem Fahrrad quer durch die Stadt direkt zum Bootshaus des RV Münster an den Dortmund-Ems-Kanal gefahren. Spätestens jetzt war klar, dass man Familie Kruse ohnehin eher am Wasser trifft, als auf dem gemütlichen Sofa.

Elke Markwort saß 1988 bei den Olympischen Spielen in Seoul im Deutschland-Achter, Birger Kruse im gleichen Jahr bei der U-23-Weltmeisterschaft in Belgien im Einer des deutschen Verbandes. Eine gemeinsame Bootsklasse für beide fand sich nicht, einer gemeinsamen Beziehung stand nichts im Wege.

Im Gegenteil: Olympiaruderin und WM-Ruderer gründen eine Familie und eine kleine, aber feine Kaderschmiede: Inzwischen haben alle fünf Kruses mindestens einen Satz der offiziellen Rennkleidung des deutschen Ruderverbandes im Schrank hängen. Ida (21) gewinnt 2017 im Vierer Bronze bei der U-23-Weltmeisterschaft im bulgarischen Plovdiv, Ole (19) fährt im rein münsterischen Vierer zu Gold bei den U-19-Europameisterschaften in Krefeld und sichert sich im Nachwuchsachter des DRV auch den Titel bei den U-19-Weltmeisterschaften im litauischen Trakai.

Für den Abschluss der Medaillensammlung ist im Jahr 2017 schließlich Sönke zuständig, der für die deutsche Abordnung Silber und Bronze im Vierer beim Baltic-Cup gewinnt.

Erblast oder Vermächtnis?

Erblast oder Vermächtnis? Elke Markwort und Birger Kruse zumindest weisen alle Verantwortung von sich: Keines ihrer Kinder sei auf den Rollsitz geschubst worden. „Das haben sich alle selber ausgesucht“, sagt die Mutter. „Keiner hat uns gedrängt“, bestätigen Ida, Ole und der telefonisch aus dem Bootshaus zugeschaltete Sönke unisono.

Ida gibt immerhin zu, schon mit „vier oder fünf Jahren in einem Boot gesessen zu haben“. Selber gerudert habe sie dann aber erst zehn Jahre später – zuvor war sie als Schwimmerin aktiv. Ole hat Fußball und Basketball gespielt, Sönke kickte für den 1. FC Gievenbeck und war wie seine Schwester im Schwimmbecken unterwegs. Aber irgendwann sind dann doch alle im Rennboot gelandet.

Und wie. „Aber das ist nicht genetisch bedingt“, so Elke Markwort. „Talent ist im Rudersport gar nicht so wichtig. Meine Schwester beispielsweise war die Talentiertere von uns, aber ich hatte den Erfolg.“ Es zählten vielmehr die Bereitschaft, sich für seinen Sport zu quälen, der Ehrgeiz, große Ziele zu erreichen, und last but not least die Kunst, am Ende der ganzen Quälerei Freude am und Leidenschaft für den Rudersport zu entwickeln.

Zweimeter-Jungs

Dabei helfen natürlich die entsprechenden körperlichen Voraussetzungen, die dann aber wohl doch aus dem elterlichen Genpool gefischt werden konnten. Mama Elke bezeichnet sich selbst mit ihren 1,84 Meter als Familienzwerg, der Rest der Familie ist deutlich größer, die Jungs kratzen an der Zweimeter-Marke – und wollen auch sportlich hoch hinaus.

Alle drei träumen davon, wie einst die Mutter einmal bei den Olympischen Spielen am Start zu sein. Ida strebt derzeit auf der Colombo State University in Ohio ihren Bachelor in Material Resource Management an, Ole widmet sich auf der Northeastern University dem Chemical Engineering, Sönke baut sein Abi – und überall wird gerudert, was Zeit und Kräfte hergeben.

Auch die kurzen Weihnachtsferien stehen im Rhythmus der Trainingszeiten. Ida kommt gerade von ihrer Einheit, Ole ist im Aufbruch, Sönke sitzt längst wieder im Boot. „Das ist so und das muss so sein“, signalisieren die Eltern großes Verständnis: „Lange Trainingspausen sind beim Rudern fatal.“ Auch die Eltern sind noch für den RV Münster aktiv – Birger Kruse sogar als Vorstandsmitglied.

Zeit für die Familie?

Zeit für die Familie? Wenn es sich ergibt. 2017 gab es ein Familientreffen bei den Weltmeisterschaften in Litauen. Für 2020 wird noch nach einem Treffpunkt gesucht. Tokio soll ganz schön sein ...

Ruderfamilie.

Der Artikel stammt von Ansgar Griebel und wurde am  19.01.2018 in den Westfälischen Nachrichten, Münster veröffentlicht. Foto: Peter Leßmann. Herzlichen Dank an die Verfasser, Fotograf und Westfälische Nachrichten !

veröffentlicht am Montag, 22. Januar 2018 um 16:02; erstellt von Hummels, Wilhelm
letzte Änderung: 22.01.18 17:11

Kampagnen

wichtige Mitteilungen